Kindheit im Nachkriegs-Deutschland

Der Zweite Weltkrieg endet und Deutschland liegt in Schutt und Asche. Es mangelt an den Grundversorgungsmitteln, viele Menschen sind traumatisiert. Der Lebensalltag war aus den Fugen. Dabei offenbarte sich das Bild einer mutigen Generation, denn auch die Kleinen packten mit an.

Frankfurt am Main, April 1945. Die knapp zehnjährige Helga hat sich von der Landverschickung allein ins heimatliche Frankfurt durchgeschlagen. Dort trifft sie nur die Oma an, die ausgeharrt hatte, um der   Familie das Anrecht auf die Wohnung zu erhalten. Helgas Mutter und die kleine Schwester sind noch in Hof an der Saale evakuiert, der Vater in einem amerikanischen Kriegsgefangenen-Lager festgehalten. Das Mädchen lungert bei den amerikanischen Kasernen herum, um für sich und die Oma Essen zu beschaffen. „Das Wichtigste war, täglich Lebensmittel zu organisieren und Wasser heranzuschleppen“, erinnert sie sich. „Die GIs gaben mir Unterwäsche und Socken zum Waschen und Stopfen mit“, die Oma besorgte das Waschen, Ausbessern und Bügeln, die kleine Enkelin machte den Transport und handelte mit den Soldaten aus, was sie im Tausch dafür bekommen sollten. Später geht sie „Kippen stechen“, um aus dem Tabak von  Zigarettenkippen, neue Zigaretten zu drehen, die sie auf dem Schwarzmarkt verkauft. So beginnt ein eindrucksvolles Zeitdokument über die Jahre 1945 bis 1950. In dem Buch „Lebertran und Chewing Gum“ zeigen 58 unterschiedliche Zeitzeugen Erinnerungen, wie deutsche Kinder damals lebten, und was sie dabei fühlten.

Das Mädchen Elfriede wohnt in den Jahren 1945 und 1946 mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in Hamburg-Lurup in einer Kleingarten-Kolonie. Dorthin war die Familie vor den Bombenangriffen auf die Hamburger Innenstadt geflohen. Das Häuschen, das sie bewohnen, hatte der Vater zu Anfang des Krieges als Gartenhaus aus Fischkisten-Brettern gebaut. Mit einer Fläche von 36 Quadratmetern ist es für fünf Personen wahrlich eng. Auch für sie dreht sich das Leben vornehmlich ums Essen. Sie schildert genüßlich das tägliche Ritual in der Schule, wenn der Hausmeister den Kindern das „Schwedenessen“ in den Henkelmann schüttet.

Renate Dziemba erlebt schon im Dezember 1945 in Berlin, wie ihr Vater überraschend aus der Gefangenschaft heimkehrt: „Er war so unheimlich groß und so unheimlich dünn,“ erinnert sie sich. Die Hinterlassenschaften des Krieges verlocken zu gefährlichen Spielen. Der zwölfjährige Friedrich Ebert erleidet beim Zündeln mit Benzin schwere Verbrennungen. Ein amerikanischer Soldat rettet ihm das Leben. Fast ein Jahr liegt der Junge in Thüringen im Krankenhaus, derweil die halbe Familie bereits aus der Evakuierung zurück in die saarländische Heimat zieht. Es gibt keine Transportmöglichkeit für Friedrich.

„Lebertran und Chewing GumKindheit in Deutschland 1945-1950, Band 14 l Reihe Zeitgut l 4. erweiterte Auflage, 384 Seiten mit vielen Abbildungen, Chronologie, Ortsregister, Zeitgut Verlag, Berlin.

Gebundene Ausgabe: ISBN 978-3-933336-23-1, Euro 14,90,  Taschenbuch-Ausgabe: ISBN 978-3-86614-201-5, Euro 11,90